Fusionsfieber

Haie und kleine Fische

In den letzten Wochen ist unter den GSM-Netzwerkbetreibern ein wahres Übernahmefieber ausgebrochen. Aus vielen kleinen Netzen soll ein grosses - möglichst weltumspannendes - Netz werden.


Der grosse Erfolg des GSM-Systems beruht bekanntlich auf der Möglichkeit, in vielen Ländern der Welt erreichbar zu sein - auf dem «Roaming» eben. In mehr als 150 Ländern der Welt gibt es GSM-Netze und zwischen den Netzbetreibern vieler dieser Länder gibt es die Roamingabkommen, die den Kunden wechselseitig das Telefonieren ermöglichen. Das Heimatnetz des Kunden muss dafür dem Gastland die entsprechenden Gebühren überweisen. Diese werden - zuzüglich eines Aufschlages - den eigenen Kunden weiterverrechnet.

Schon bisher gab es Konzerne, die in vielen Ländern aktiv waren. So gibt es etwa Orange in Grossbritannien, in Belgien, in Israel usw. Vodafone - dieses Unternehmen ist eng mit AirTouch verflochten -, gibt es nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in Südafrika, auf den Fidschi-Inseln, in Malta etc. Die Beispiele liessen sich noch beinahe beliebig fortsetzen.

Alle diese internationalen Beteiligungen haben aber für die Zentralen einen gravierenden Nachteil: Sie stellen kein geschlossenes System dar, in dem man durch entsprechende Kundenbindungsprogramme seinen Marktanteil vergrössern kann. Am Beispiel der USA lässt sich das sehr gut darstellen, denn dort läuft seit Wochen ein ganz intensives Merger-Programm, das vom stärksten US-GSM-Betreiber Western Wireless ausgeht und die grössten anderen Netzbetreiber betrifft.

Western Wireless, wie der Name schon sagt, Inhaber der meisten grossen Lizenzen im Westen der USA, hat zwar nationales Roaming mit anderen GSM-Betreibern in den USA, kann aber mangels nationaler Coverage kein USA-weites Tarifpaket schnüren. Inzwischen hat Western Wireless - der Markenname für das Netz lautet «Voicestream» - den Kauf der im Osten sehr starken Omnipoint und wenige Tage später auch die Integration von Airadigm angekündigt. Damit wird es möglich, das Voicestream-Label auf die gesamte USA auszudehnen und gleichzeitig durch eine entsprechende Preispolitik dafür zu sorgen, dass die Kunden nur im eigenen Netz telefonieren.

Ähnliches ist wohl in den nächsten Jahren in Europa zu erwarten. Ein (noch) hypothetischer Fall: Es ist eigentlich nicht einzusehen, dass ein Orange-Kunde aus der Schweiz etwa in Belgien über Proximus telefoniert, statt dass er etwas weniger bezahlt, aber dafür im Orange-Netz bleiben muss. Also wird man übernationale Tarife einführen, die den Kunden durch Preisvorteile veranlassen, im möglichst eigenen Netz zu bleiben und nicht «fremd» zu gehen.

Vor diesem Hintergrund sind die gewaltigen Übernahmekämpfe, die derzeit überall in Europa toben, zu sehen. Die Übernahme von E-Plus durch die niederländische KPN eröffnet den Holländern nicht nur einen grossen Markt, sondern schafft auch ein Brücke in weiter östlich gelegene Länder - z. B. Ungarn -, in denen man ebenfalls Beteiligungen hat.

Ob Vodafone die Mannesmann-Übernahme schafft, ist bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass auch jetzt schon AirTouch rund 25 % an dem deutschen Netzbetreiber hält, und Vodafone daher sehr genau weiss, was es denn da übernehmen will.

Für den Kunden wird sich das in den nächsten Jahren eher positiv auswirken, weil es durchaus zu europaweiten «Inlandstarifen» kommen kann, die dann deutlich niedriger sein werden, als die bisherigen Roamingtarifen. Ob es langfristig auch günstig ist, wird daran liegen, wie viele internationale Netzbetreiber am Ende übrig bleiben - schliesslich drückt ja nur Konkurrenz die Preise.

Die Grösse des Einsatzes verhindert aber auf jeden Fall, dass im Mobilfunk die Schnellen überleben, wenn die Grossen genug Geld haben.

fak


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